Süddeutsche intern – eine Zeitung zieht um


Die neue Wechselausstellung im IZM dokumentiert in 50 Fotografien den Umzug der SZ an den Münchner Stadtrand

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) erschien erstmals am 6. Oktober 1945. Ihre Redaktion war bis 2008 in der Münchner Innenstadt beheimatet, in einem labyrinthischen Konglo­merat aus Bürogebäuden, alten Produktionsstätten und ehemaligen Wohnhäusern in einem Karree entlang und hinter der Sendlinger Straße. Dann zog die SZ – und mit ihr der Süddeutsche Verlag – in ein modernes Hochhaus in einem Gewerbegebiet am Münchner Stadtrand um. Der Fotograf Karl-Heinz Rothenberger hat den Umzug zum Anlass genommen, das Innenleben der geschichtsträchtigen Gebäude, die bis auf zwei denkmalgeschützte Bauten abgerissen wurden, festzuhalten. Zugleich hat er die neue Architektur am Stadtrand dokumentiert. 50 Fotografien dieser Serie sind in der neuen Wechselausstellung des IZM zu sehen. Die Zusammenschau der Bilder führt unweigerlich zu Reflexionen über Entwicklung und Wandel in der Medienwelt.

Der Umzug ins Wildschweingehege
„Wer aus der Sendlinger Straße, dieser geschichtsträchtigen 1-a-Lage, nach Steinhausen, also in ein städtebauliches Wildschweingehege umzieht, muss ein ziemlicher Depp sein!“ Christian Ude, seinerzeit Münchens Oberbürgermeister und einigermaßen berühmt für klare Worte, brachte in seiner Rede auf der Abschieds­party in der Kantine der alten SZ auf den Punkt, was die meisten Anwesenden dachten. Daher wurde dort viel Weißbier getrunken, und die Redaktionsband „Deadline“ spielte unter großem Gelächter und donnerndem Applaus „Muss i denn zum Städtele hinaus?“

Eine rhetorische Frage. Denn die Gesellschafter des Süddeutschen Verlags hatten den Umzug längst eingeleitet, aus ökonomischen Gründen. Mitten in einer der teuersten Städte Deutschlands, nur einen Katzensprung vom Marienplatz entfernt, auf einem relativ großen Grundstück eine Zeitung machen zu lassen, sei „deutlich unwirtschaftlicher als auf eben diesem Grundstück Damenstiefel oder Cashmere-Sweater anzubieten sowie Büros, Wohnungen oder Räume für Restaurants zu vermieten“, formulierte Chefredakteur Kurt Kister, um folgendermaßen fortzu­fahren: „Also verkauften die Gesellschafter des SV das Areal und ließen auf einer bereits zur Bebauung genehmigten Fläche nahe der Zeitungsdruckerei draußen im

Osten ein Hochhaus wachsen. Für vier von fünf der damaligen SV-Gesellschafter traf sich das besonders gut, weil sie anschließend auch noch ihre Anteile am Verlag verkauften und nun im Besitz von deutlich mehr Geld als vorher nicht mehr zum Arbeiten, geschweige denn an den Stadtrand müssen.“ Auch Kister ist bekannt für deutliche Worte…

Am Freitag, 31. Oktober 2008, war es so weit: Die Redaktion der Süddeutschen Zeitung zog an den Münchner Stadtrand, in das knapp 100 Meter hohe Haus mit 27 Stockwerken und superschnellen Aufzügen, entworfen vom Berliner Büro GKK+Architekten. An nur einem Wochenende war alles erledigt: 30 000 Umzugskisten und 27 Kilometer Bücher standen zum Auspacken und Einräumen in den neuen Büros bereit – die je nach Lage einen Ausblick auf die Alpen, die Allianzarena, die Marienkirche oder die gelben Lkw einer Speditionsfirma gewähren. Und nicht nur die SZ-Redaktion, sondern insgesamt 1850 Mitarbeiter – aus dem Verlag, vom SZ-Magazin, jetzt.de, der Onlineredaktion – sowie die Schüler der Deutschen Journalistenschule waren nun erstmals gemeinsam in einem Haus untergebracht. Besser gesagt: in einem modernen Glaspalast mit einem riesigen, respekteinflößenden Foyer, einer Panorama-Lounge unter dem Flachdach, einer Kantine, die der Künstler Tobias Rehberger gestaltet hat und die nunmehr Frontcooking mit gesunden italienischen Zutaten statt Schweinsbraten und Kasspatzen im Angebot hat.

Es werden vermisst: Eine Telefonkabine im Aquarium und ein Paternoster
Vorher hatte man sich wohler gefühlt, das war Konsens unter den Kolleginnen und Kollegen, trotz abgenagter Kantinentische und muffiger Auslegeware. Kein Journalist lässt sich gern vom Leben abschneiden und an den Stadtrand versetzen, selbst wenn er über Berliner Politik schreibt und nicht über Leerstände in der Schrannenhalle. So hegen viele Redakteure bis heute nostalgische Gefühle. Sie vermissen den Paternoster oder das „Aquarium“, den ovalen, gläsernen Konferenzraum, in dem neben bedeutenden Politikern auch Entertainer wie Harald Schmidt und DJ Paul van Dyk zur Blattkritik geladen waren und an dessen Kopfende eine Telefonzelle stand – Heribert Prantl musste immer erreichbar sein, auch bevor es Handys gab.

Der Umzug brachte aber auch handfeste Veränderungen mit sich, die unter dem Druck der Entwicklung der Medienlandschaft längst überfällig waren und die erst in der neuen Umgebung optimiert werden konnten. Dazu gehörte die Einrichtung eines Newsdesks – in der Sendlinger Straße war die klassische Nachrichten­redaktion gerade erst dabei, sich zu reformieren. Vor allem das Zusammendenken von Print und Online konnte in die nächste Phase gehen – durch Zusammen­hocken und ständigen Austausch. So präsentiert sich die SZ heute mit einem Beauftragten für neue Medien und zuhauf twitternden und postenden Redakteuren in einer zeitgemäßen architektonischen Hülle – in die zum Glück auch noch die Edelfedern, Streiflichter und Qualitätsrechercheure alter Schule gut hineinpassen.

Der Fotograf: Subjektivität und Wahrhaftigkeit
Karl-Heinz Rothenberger wurde 1945 in Landshut geboren und studierte Medizin in München und Zürich. Nach Assistenzarztjahren, Facharztausbildung und einer Zeit als Oberarzt kehrte er 1983 als Chefarzt in seine Heimatstadt zurück und gründete eine Urologische Klinik.

Rothenberger widmete sich schon früh der Fotografie, wobei er zunächst Spiegel­reflexkameras benutzte. Mittlerweile arbeitet er vorzugsweise mit einer Leica M7, mit der er ausschließlich Schwarz-Weiß-Bilder macht. Seine Arbeit steht für Wahr­haftigkeit, gewährleistet durch den subjektiven Blick des Fotografen. Eine nach­trägliche Manipulation des einmal festgehaltenen Augenblicks lehnt er ab. In der Regel verzichtet er sogar auf Ausschnittsvergrößerungen, wovon der demonstra­tive Leica-Rahmen zeugt. Rothenbergers Blick ist stets neugierig und interessiert, zugleich einfühlsam und wohlwollend, nie indiskret.

Karl-Heinz Rothenbergers Fotografien wurden in Einzelausstellungen von Wien über München bis Berlin und Algund/Italien sowie dem rumänischen Hermannstadt gezeigt und in Kalendern und Büchern publiziert.

Mehr unter www.kh-rothenberger.com

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Di – So 10 – 17 Uhr

Preise

Einzelbesucher: 6€ / 3€ (ermäßigt)
Gruppen: 3€ p.P. (ab 8 Personen)

Eintritt in die jeweilige Dauerausstellung  6 Euro /erm. 3 Euro
Eintritt in Wechselausstellungen flexibel zwischen 7  und 15 Euro
Eintritt bis einschl. 21 Jahren frei

Die Museumscard „Six for Six“ (jeweils ein Eintritt in fünf Museen plus Rathaus / sechs Monate lang) ist für 14/10 Euro in allen Aachener Museen erhältlich, ebenso telefonisch zu bestellen unter +49 241 432-4922, -4923 oder -4925, sowie per E-Mail via kulturservice@mail.aachen.de

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